Die Berliner Stadtteile – Ein Geheimnis? Wir lüften es für Sie chronologisch.

„Guten Tach! Nach Wedding in die Badstraße, bitte!“ Wenn man als Taxifahrer den Fahrgästen, die man dorthin nach Hause gefahren hat, nach dem Bezahlen augenzwinkernd mitteilt, dass sie nicht in Wedding wohnen, sondern dass ihr Stadtteil seit über zehn Jahren Gesundbrunnen heißt und – ebenso wie der westliche Nachbarortsteil Wedding – ein Ortsteil des Bezirks Mitte ist, wird man allzu oft verwundert und ungläubig angesehen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, der echte Berliner lässt sich schon gar nichts sagen („Ditt war imma Wedding und ditt is Wedding“), und trotz allem ist die offizielle Nomenklatur auch kein großes Geheimnis. Sie ist zum Teil einfacher, zum Teil etwas facettenreicher als die vor der Jahrtausendwende. Dennoch hat das Wissen über die aktuelle Gebietsgliederung Berlins sich noch nicht sonderlich weit verbreitet. Ob Verkehrsfunk im Radio, Berlin-Redaktion der Tageszeitungen, BVG, S-Bahn, Immobilien-Scout oder -makler, Polizei, alter Hase in der Droschke oder Fahrgast – so ziemlich jeder benutzt ein wildes Gemisch aus aktuellen Bezirken, Ortsteilen, ehemaligen Bezirken aus den 1990er Jahren und Namen sonstiger Siedlungsgebiete. Kein Wunder, dass fast niemand Bescheid weiß. Dabei jährt sich die Bezirksreform mit dem Jahreswechsel 2022-23 zum 23. Mal.

Taxi Berlin hat ein Zeichen gesetzt: Bei Bärchen-, City-, Würfel- und Quality-Funk werden bei Aufträgen seit Dezember 2010 die aktuellen Ortsteilnamen verwendet: Gesundbrunnen, Badstraße. Rummelsburg, Weitlingstraße. Unter Gesundbrunnen, Plänterwald, Hansaviertel und Neu-Hohenschönhausen kann jeder sich etwas vorstellen. Etwas schwieriger ist es bei kleinen oder nicht so bekannten Ortsteilen wie Fennpfuhl, Falkenhagener Feld oder Wilhelmstadt. Hier bekommen die Funkteilnehmer in Klammern den Bezirk dahinter angezeigt. Mit der Adresse „Fennpfuhl (Lichtenberg), Möllendorffstr.“ wird auch jeder etwas anfangen können, ebenso mit „Falkenhagener Feld (Spandau), Stadtrandstr.“.

Taxi-Berlin-Geschäftsführer Hermann Waldner, der immer gerne eine Innovation voraus ist, lag die Neuerung am Herzen: „Die meisten wissen natürlich Bescheid, wenn jemand von der „Brunnenstraße in Wedding“ spricht. Aber nicht jeder Fahrgast kennt noch die alte Bezirksaufteilung, und nicht jeder Tourist aus Dresden oder Köln, der sich überhaupt nicht auskennt, gerät an einen ortskundigen P-Schein-Neuling, der in der Taxischeinschulung schon die aktuellen Ortsteile gelernt hat.“ Waldner und sein Team möchten, dass sowohl bei einer „veralteten“ Angabe als auch bei einer aktuellen schnell klar ist, was gemeint ist. Daher die aktuelle Ortsteilangabe und gegebenenfalls in Klammern der Bezirk, „so dürfte nichts schiefgehen“.


22 Jahre Bezirksreform

Die Bezirksreform 2001 war nicht die erste umfassende Veränderung der Berliner Gebietsstruktur. Nachdem die mittelalterliche Doppelstadt Berlin/Cölln über die Jahrhunderte immer weiter gewachsen war, erhielt Berlin im Zuge der Stein-Hardenbergschen Städtereform Anfang des 19. Jahrhunderts nicht nur die erste ernstzunehmende Selbstverwaltung, sondern zudem 100 Stadtteile, die schon damals als Bezirke bezeichnet wurden, und deren Anzahl stetig wuchs. Die Fläche Berlins umfasste damals grob das Gebiet der heutigen Ortsteile Mitte, Tiergarten, Hansaviertel, Moabit, Wedding, Gesundbrunnen, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg. Im Zuge einer weiteren Neugliederung 1884 wurde Berlin in 326 Bezirke eingeteilt. Diese Zahl wuchs bis 1920 auf über 450.

Nachdem die Reichshauptstadt eine Bevölkerung von über 1,9 Millionen Menschen erreicht hatte, wurden in der Nacht zum Sonntag, dem 1. Oktober 1920, um 0 Uhr sieben umliegende Städte (Charlottenburg, Deutsch-Wilmersdorf, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg und Spandau) sowie 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke nach Berlin eingemeindet, so dass sich die Einwohnerzahl über Nacht verdoppelte und Berlin die damals zweitgrößte Stadt der Welt (nach Los Angeles) war. Das Stadtgebiet, das seitdem annähernd die heutige Fläche hat, wurde in 20 Bezirke aufgeteilt. Die Bezirke im eingemeindeten Gebiet wurden aus jeweils mehreren Gemeinden und Gutsbezirken gebildet, die nun Ortsteile waren. Die zuvor jeweils einwohnerstärkste Gemeinde gab dem Bezirk seinen Namen. Die Bezirke des bisherigen Berliner Gebiets wurden nicht in Ortsteile aufgeteilt.

Am 1. April 1938 wurde unter Herrschaft der Nazis eine weitere Gebietsreform vorgenommen, bei der etliche Bezirksgrenzen begradigt und einige Ortsteile und Siedlungen anderen Bezirken zugeschlagen wurden.

Von 1979 bis 1986 wuchs die Zahl der Bezirke (im Westteil) bzw. Stadtbezirke (im Ostteil) im Zuge großflächiger Neubauprojekte auf 23. Das bis dahin riesige Lichtenberg wurde 1979 geteilt. Der kleinere westliche Teil behielt den Namen, der östliche wurde Marzahn genannt (seine Fläche entsprach weitgehend dem heutigen Bezirk Marzahn-Hellersdorf). Ähnlich erging es 1985 Weißensee, dessen größerer östlicher Teil zu Hohenschönhausen wurde. Im Ausgleich wechselten drei Pankower Ortsteile nach Weißensee. Marzahn wurde 1986 erneut geteilt; die östliche Hälfte hieß fortan Hellersdorf. Die nun entstandene Gebietsstruktur blieb bis Ende 2000 erhalten.


„Stadtbezirke“

Um auf die Frage ganz am Anfang zurückzukommen: Wenn Sie sich eine aktuelle Karte Berlins mit Bezirken und Ortsteilen genau ansehen, werden Sie die gesuchte Gemeinsamkeit von „Treptow“ sowie „Hohenschönhausen“ und „Schöneweide“ feststellen – finden wäre wohl der falsche Ausdruck: Diese Namen gibt es nicht (mehr) – außer auf veralteten Schildern im Stadtgebiet (und natürlich im Volksmund). Und der Ausdruck „Stadtbezirk“ ist sogar „ostalgisch“: Während der deutschen Teilung, genauer gesagt von 1950 bis 1990, war der Ostteil Berlins offiziell statt in Bezirke in „Stadtbezirke“ aufgeteilt, um diese von den „Bezirken“ zu unterscheiden, in die das Staatsgebiet der DDR anstelle von Ländern aufgeteilt war. Vorher und heute war und ist Berlin in Bezirke und Ortsteile gegliedert, auch wenn für letztere eigentlich die Bezeichnung „Bezirksteile“ treffender wäre.

Es gibt in der Region Berlin aber auch heute noch den Begriff Stadtbezirke: Die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam ist ähnlich gegliedert wie Berlin, nur dass es in Potsdam nicht Bezirke und Ortsteile heißt, sondern Stadtbezirke und Stadtteile.

Natürlich gibt es etliche weitere kleinere historische Gebiete wie Wilhelmshagen, Eichkamp, Schönholz oder die Dammvorstadt. Doch diese Siedlungen (Fachleute sprechen auch von Ortslagen oder manchmal von Wohnplätzen) sind kein Bestandteil der offiziellen Gebietsgliederung und haben oft keine genau festgelegten Grenzen. Wer etwa versucht, die exakten Begrenzungen der Siedlung Ruhleben zu recherchieren, lässt sich auf eine abenteuerliche Aufgabe ein.

Genug der Spitzfindigkeiten. Damit auch Sie über die aktuelle Situation Bescheid wissen, erläutere ich Ihnen kurz und nüchtern alles, was sich im Zuge der Bezirksreform geändert hat. Und jetzt sagen Sie bitte nicht „der neue Quatsch interessiert mich nicht“! Wenn ich die absurd hohen Preise für irgendwelche Produkte zur besonders dramatischen Veranschaulichung laut in D-Mark umrechne, werde ich auch zuweilen gefragt, in welcher Zeit ich lebe. Der Euro wurde erst ein Jahr nach der Berliner Bezirksreform in Umlauf gebracht. Also: In welcher Zeit leben Sie?


Zusammenlegungen von Bezirken

Die Zahl der Bezirke wurde mit der Jahrtausendwende, also in der Nacht zum 1. Januar 2001 um 0 Uhr, durch Zusammenlegungen von 23 auf 12 gesenkt, wobei Reinickendorf, Spandau und Neukölln unverändert blieben. In den meisten Fällen wurden jeweils zwei Bezirke vereinigt. Ausnahmen: Pankow (wurde aus den drei Altbezirken Pankow, Weißensee und Prenzlauer Berg gebildet) und Mitte (wurde aus den drei Altbezirken Mitte, Wedding und Tiergarten gebildet). Der aus den Altbezirken Lichtenberg und Hohenschönhausen gebildete Bezirk hieß zunächst Lichtenberg-Hohenschönhausen, wurde aber später in Lichtenberg umbenannt.

Über die Bezirksnamen wurde zum Teil noch lange leidenschaftlich gestritten, am meisten in dem Bezirk, der aus so unterschiedlichen Altbezirken wie Pankow, Weißensee und Prenzlauer Berg zusammengewürfelt worden war. Mit dem Namen Pankow, der zu Zeiten der Teilung nicht zuletzt Synonym gewesen war für die Wohnfestungen einiger verhasster DDR-Blockflöten, hatte man im kulturell aufstrebenden Ortsteil Prenzlauer Berg mit seinem niedrigen Durchschnittsalter herzlich wenig am Hut. Es gab viele Vorschläge für einen neuen Bezirksnamen, die zum Teil extravagant und untauglich lang waren. Schließlich wurde der kurze und pragmatische Name Pankow durchgesetzt.


Neue Ortsteile

Bereits 1997 hatte der damalige Bezirk Treptow den ehemaligen Ortsteil Treptow in Alt-Treptow umbenannt und die Siedlung Plänterwald (die zum Teil zu Treptow, zum Teil zu Baumschulenweg gehört hatte) als Ortsteil ausgewiesen.

Der Bezirk Pankow hatte bereits 1999 den Ortsteil Buchholz in Französisch Buchholz rückbenannt. Der zu Pankow gehörende Teil von Malchow erhielt im Zuge der Bezirksreform 2001 den Namen Stadtrandsiedlung Malchow. Der in Lichtenberg liegende Teil behielt den Namen Malchow.

Die Großsiedlung Hellersdorf, zuvor Teil des Ortsteils Kaulsdorf, wurde als neuer Ortsteil des Bezirks Marzahn-Hellersdorf ausgewiesen.

Der Bezirk Mitte besteht aus sechs Ortsteilen: Tiergarten (Zoo, Lützowplatz, Großer Stern, Marlene-Dietrich-Platz), Hansaviertel (Bartningallee, Lessingstr.), Moabit (Turmstraße, Heidestraße, Hauptbahnhof), Mitte (das Gebiet des früheren Bezirks), Wedding (westlicher Teil des früheren Bezirks) und Gesundbrunnen (der Teil östlich der Linie Louise-Schroeder-Platz – Reinickendorfer Str. – Müllerstr. – Chausseestr. – Liesenstr. – Gartenstr.). Seitdem liegen z.B. Osloer Straße, Pankstraße, Voltastraße und Amtsgericht Wedding nicht mehr in Wedding, sondern in Gesundbrunnen, und das Amtsgericht Tiergarten nicht mehr in Tiergarten, sondern in Moabit. Der Name des Ortsteils Tiergarten ist umstritten; zum Teil wird er (auch offiziell) Tiergarten-Süd oder Tiergarten-süd genannt.

Auch der neue und alte Bezirk Reinickendorf erhielt 2001 einen neuen Ortsteil: das Märkische Viertel, zuvor Teil von Wittenau.

Seit Anfang 2002 ist Wilhelmsruh ein eigener Ortsteil von Pankow.

Im Mai 2002 beschloss die BVV Lichtenberg, drei neue Ortsteile auszuweisen: Neu-Hohenschönhausen (aus den südlichen Teilen von Malchow, Wartenberg und Falkenberg gebildet), Fennpfuhl (aus der Nordwest-Ecke des Ortsteils Lichtenberg), und die Altbausiedlung Rummelsburg wurde ein eigener Ortsteil. Somit befindet sich z. B. die Zingster Straße nicht mehr in Malchow, sondern in Neu-Hohenschönhausen. Der Bahnhof Lichtenberg und das östliche Ende der Frankfurter Allee liegen in Rummelsburg. Außerdem erhielt der bisherige Ortsteil Hohenschönhausen (mit Kfz-Zulassungsstelle) den Namen Alt-Hohenschönhausen.

Seit November 2002 ist die Hochhaussiedlung Gropiusstadt im Bezirk Neukölln ein eigener Ortsteil; seitdem ist Buckow zweigeteilt.

Seit Mai 2003 hat der Bezirk Spandau die neuen Ortsteile Falkenhagener Feld, Hakenfelde und Wilhelmstadt, die vom Ortsteil Spandau ausgegliedert wurden.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wies im September 2004 die Ortsteile Halensee, Westend und Charlottenburg-Nord aus. Halensee wurde aus der Nordwest-Ecke von Schmargendorf und einem Stück Grunewald gebildet, Westend ist der frühere Teil Charlottenburgs westlich des Stadtrings, und Charlottenburg-Nord heißt der kleine Ortsteil nördlich des Bahnhofs Jungfernheide bzw. der Spree. Seitdem befinden sich das Messegelände einschließlich ICC, der Busbahnhof, die Siedlung Ruhleben, die Waldbühne und das Olympiastadion nicht mehr in Charlottenburg, sondern in Westend, und der Jakob-Kaiser-Platz, ein Großteil der Ringsiedlung Siemensstadt sowie das Autobahndreieck Charlottenburg liegen nun in Charlottenburg-Nord.

Die bisher letzten zwei Akte der Gebietsreform: Am 24.4.2012 wurde die Siedlung Borsigwalde vom Ortsteil Wittenau abgetrennt und zum Ortsteil „befördert“. Am 11.12.2021 wurde die Siedlung Schlachtensee, die zum Teil zu Nikolassee und zum Teil zu Zehlendorf gehörte, ein eigener Ortsteil. Seitdem hat Berlin 97 Ortsteile.